HNO-Berufsverband zum Thema Antibiotikaeinsatz

Sinnvoller Antibiotikaeinsatz in der HNO-Praxis – Besser vorbeugen, sparsam einsetzen

Mannheim, 18. Oktober 2016 – Multiresistente Infektionserreger sind auf dem Vormarsch. Grund dafür ist der weltweit steigende Antibiotikaverbrauch. Schätzungen zufolge werden 80 Prozent der hierzulande in der Humanmedizin eingesetzten Antibiotika von Hals-Nasen-Ohrenärzten verschrieben. Prof. Wolfgang Pfister vom Institut für Medizinische Mikrobiologie am Universitätsklinikum Jena plädiert für einen sparsamen Einsatz der hochwirksamen Arzneimittel. „Wichtig ist es für Ärzte aber auch für Patienten, die Möglichkeiten von prophylaktischen Maßnahmen zu kennen“, so der Antibiotikaexperte. Welches Einsparpotenzial besteht, zeigt sich am Beispiel der Niederlande. Dort werden rund ein Drittel weniger Antibiotika als in Deutschland eingenommen.

Der weltweit steigende Einsatz von Antibiotika begünstige die Widerstandsfähigkeit gefährlicher bakterieller Erreger, sorgt sich Prof. Pfister: „Sowohl im grampositiven (MRSA, VRE) als auch ganz besonders im gramnegativen Bereich (3- und 4-MRGN) der humanpathogenen Bakterien hat die absolute Anzahl und der relative Anteil multiresistenter Infektionserreger in den letzten Jahren stark zugenommen. Dabei spielen insbesondere Mechanismen der Antibiotikaresistenz-Übertragung von einem Bakterium auf ein anderes die bedeutendste Rolle“, warnt Pfister. Die Resistenzen werden durch den zunehmenden Selektionsdruck befördert, der auf den weltweit steigenden Antibiotikaverbrauch zurückzuführen sei, erklärt der Experte. 85 Prozent aller Antibiotika werden in der Veterinärmedizin eingesetzt. 15 Prozent entfallen auf die Humanmedizin. Davon werden 85 bis 90 Prozent auf dem Apothekermarkt, also im niedergelassenen Bereich, umgesetzt. Zehn bis 15 Prozent gelangen in die Kliniken. Pfister: „In der Humanmedizin besitzt der ambulante Sektor das größte Potenzial für die Reduzierung des Antibiotikaverbrauchs.“

Eine große Verantwortung tragen dabei HNO-Ärzte, so der Experte weiter: „Es gibt Schätzungen, die besagen, dass etwa 80 Prozent dieser Antibiotika auf die Verschreibung von HNO-Ärzten entfallen.“ Dem stehe die Tatsache gegenüber, dass ungefähr 90 Prozent der Infektionen in der HNO-Heilkunde viralen Ursprungs, Antibiotika in diesen Fällen demnach kontraindiziert seien. „Natürlich erfordern bakterielle Infektionen den Einsatz von Antibiotika. Entsprechend der Leitlinie zur Antibiotikatherapie der Infektionen an Kopf und Hals der Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften (AWMF) gehören zu einer optimalen Behandlung die richtige Diagnosestellung, die kritische Indikation zum Einsatz von Antibiotika, die Wahl des am besten geeigneten Antibiotikums und die Verlaufskontrolle mit Festlegung der Behandlungsdauer“, empfiehlt Pfister. Dabei könne eine mikrobiologische Untersuchung mit Erreger- und Resistenzbestimmung sowie die Bestimmung von Entzündungsparametern wesentlich helfen.

Ziel eines umsichtigen Einsatzes von Antibiotika müsse es grundsätzlich sein, die Arzneimittel so sparsam wie möglich zu verordnen, appelliert Pfister. Dies gelte insbesondere für Breitbandantibiotika wie Cephalosporine und Fluorchinolone. Dazu gehöre die Vermeidung einer Antibiotikagabe bei Virusinfektionen, die Minimierung von Antibiotika-Prophylaxen sowie die konsequente Durchführung anderer Maßnahmen zur Infektionsvermeidung wie zum Beispiel Impfungen. Pfister: „Eine Antibiotikagabe ist nur bei nachgewiesener bakterieller Infektion sinnvoll und sollte dann aber konsequent in ausreichender Konzentration und so kurz wie möglich durchgeführt werden. Darüber hinaus gilt es, neben der Reaktivierung alter auch neue Antibiotika und alternative Möglichkeiten der antiinfektiösen Therapie zu entwickeln.“ Grundsätzlich sei eine Antibiotikatherapie am dritten Tag zu überprüfen.

„Auf keinen Fall sollte man Wünschen des Patienten nachgeben, der in dem irrigen Glauben, dass Antibiotika bei jeder Art von Infektion schneller zur Gesundung führt, die Verordnung einfordert. Das muss den Patienten verständlich erklärt werden“, rät Wolfgang Pfister. Nur so lasse sich ein ähnlich niedriger Antibiotikaverbrauch wie in den Niederlanden erreichen. In dem Nachbarland sei nicht nur das Vorkommen multiresistenter Keime viel geringer als in Deutschland. Es werden im ambulanten Bereich auch viel weniger Antibiotika eingesetzt, die einen hohen Selektionsdruck zur Herausbildung von Multiresistenzen besitzen, erklärt der Medizin-Experte. Im Ergebnis betrage der Pro-Kopf-Verbrauch an Antibiotika in den Niederlanden nur ca. zwei Drittel des Verbrauchs in Deutschland.

Die 50. Fortbildungsveranstaltung für HNO-Ärzte in Mannheim befasst sich in einer Expertenrunde „Evidente Therapie bei Infektionen“ mit dem Antibiotikaeinsatz in der HNO-Heilkunde. Der Kongress findet vom 27. bis 29. Oktober 2016 im Congress Center Rosengarten statt.

 

Quelle: HNO-Berufsverband Artikel vom 18.11.2016